Object of the month

Nürnberger Meisterbrillen

dunkle Brille: Brille für die Nahsicht mit +4,5 bis +5,0 Dioptrien (Foto: Robert Niemz)

helle Brille: Brille für die Fernsicht mit +1,7 bis +1,8 Dioptrien (Foto: Robert Niemz)

Etui: "Den 3 März bin ich ... Bayer 
Zum Meister worden ist geschworne
gewesen Johan Heymann Martin
Zimmermann
hat geschaut Wolfgang Bayer"
(Foto: Lisa Woop)
 

„Welcher auf dem Parillemacherhandwerk alhier Meister werden will, der soll zu einem Meisterstuck machen zwo Parillen, nehmlich eine Doppel-parillen und ein Parillen in die Weiten, Glaß und Kasten miteinander.“  So steht es im Dekret vom 15. Juli 1575 in der Brillenmacherordnung der Stadt Nürnberg geschrieben.

Die Meisterstücke wurden nach der Lehre und Gesellenarbeit nur einmal im Leben als Prüfungsleistung angefertigt. Trotz dieser geringen Stückzahl finden sich einige solcher Brillen noch heute in Museen und privaten Sammlungen, vor allem in Deutschland. Die meisten von ihnen sind jedoch nur Fragmente, denn nur wenn beide Stege in den vorgegebenen 12 Herzen, 4 Streben, 2 Kleeblättern, 3 Kreuzen, kronenförmige sowie y-förmige Ornamenten und Eicheln exakt übereinstimmen, gehörten die Brillen auch bei ihrer Entstehung zusammen. Das Deutsche Optische Museum kann mit insgesamt 19 einzelnen Meisterbrillen, davon vier Meisterstücke, mehr als die Hälfte aller überhaupt bekannten Exemplare und die höchste Zahl an Meisterstücken aufweisen.

Die Rahmen der Brillen sind immer aus einem Stück Horn gefertigt worden und weisen stets die gleiche Form auf. Die kreisrunden Linsen, die aus gekauftem Glas geschliffen wurden, sollten das Können des Meisterschülers zeigen. Aus diesem Grund wurden auch zwei Brillen hergestellt. Die dunklere war mit bikonvexen Linsen ausgestattet und für die Nahsicht gedacht. Die hellere hatte plankonvexe Linsen und diente der Fernsicht. Die Dioptrienzahlen liegen bei allen messbaren Paaren zwischen +1,63 und +2,00 für die Fernsicht bzw. +4,30 bis +5,50 für die Nahsicht. Nichtsdestotrotz wurden sie im Gegensatz zu ihren metallenen Gegenstücken nicht genutzt. Sie waren fragile Schmuckstücke, bei denen die reiche Verzierung das handwerkliche Können belegen sollte.

Einige wurden in der Handwerkslade der Brillenmacher aufbewahrt. Dort lagen sie in flachen, achteckigen und ovalen Doppelfutteralen, welche durch ihre Inschrift Auskunft zur Entstehungsgeschichte geben. In diesem Fall wurden die beiden Sehhilfen von einem Herrn Bayer angefertigt, der sie am 3. März 1721 nach einer Woche Arbeit Johan Heyman und Martin Zimmermann, als Vertretung für Wolfgang Bayer, zur Begutachtung vorlegte. Bayer war damit einer der letzten, die auf diese Art und Weise zum Meister wurde. Nur 10 Jahre später fand die erste Meisterprüfung ohne Meisterstück statt. Damit befindet sich in der Sammlung des D.O.M. eine der letzten Brillen dieser 200 Jahre alten Tradition, welche auch aus diesem Grund in der kommenden Dauerausstellung gezeigt werden soll.

Lisa Woop, M. A.

Deutsches Optisches Museum:
Inventarnummern: 8736100026458 (dunkle Brille), 8736100026465 (helle Brille) und 8736100027033 (Etui)
Materialien der Brillen: Horn und Glas
Maße der Brillen: Gewicht: 9g, Länge: 10cm, Breite 4cm, Höhe 0,2cm
Dioptrien der dunklen Brille +4,5 bis +5
Dioptrien der hellen Brille +1,7 bis +1,8
Provenienz: Sammlung Pflugk

Materialien des Etuis: Holz und Metall.
Maße des Etuis: Gewicht 47g, Länge: 11cm, Breite 5,5cm, Höhe 2cm

Literatur:

Schindler, Thomas, „Nürnberger Brillenmachermeisterstücke des 17. und 18. Jahrhunderts“, in Ernst-Abbe-Stiftung (Hrsg.), Schatzkammer der Optik. Die Sammlungen des Optischen Museums Jena. Jena: 2013, S. 59-66.
Vopelius, Eduard, Die Glasindustrie Nürnbergs und seiner Umgebung im siebzehnten und achtzehnten Jahrhundert. Stuttgart: 1895.

gedruckte Quelle:
Brillenmacherordnung von 1685, abgedruckt in: Jegel, August, Alt-Nürnberger Handwerksrecht und seine Beziehungen zu anderen. Nürnberg: 1965, S. 293-296.