Objekt des Monats

Schönheit, die zum Himmel stinkt

Aus dem Herbarium Haussknecht: Himantoglossum hircinum (L.) Spreng.

Das Objekt des Monats August ist eine Pflanze aus einem Herbarium.
Ein Herbarium sind getrocknete und gepresste Pflanzen.
Sie bleiben haltbar.
Und eine Zeichnung von der gleichen Pflanze.
Sie sehen eine Orchidee.
Ganz genau heißt sie: Bocks-Riemenzunge.
Der botanische Name ist Himantoglossum hircinum.
Orchideen haben besondere Blüten.
Viele Wissenschaftler und Künstler interessieren sich für diese Pflanzen.
Sie sind selten.
Darum sind alle Orchideen-Arten geschützt.
Die Bocks-Riemenzunge kommt nur
noch sehr selten im Mittleren Saale-Tal vor.
Es gab Informationen wo sie früher gewachsen ist.
Meist gibt es sie dort nicht mehr.
Damit sie wächst, braucht sie ganz bestimmte Stand-Orte:
Hier sind es Halbtrocken-Rasen
und helle Trocken-Gebüsche.
Man findet sie in warmen Gegenden von Mittel-Europa.
Thüringen ist das nördlichste Gebiet,
in dem diese Orchidee wächst.
Doch seit einigen Jahren findet man sie wieder öfter.
Die Bocks-Riemenzunge breitet sich derzeit aus.
Sie wurden jetzt wieder in Sachsen-Anhalt und Thüringen gefunden.
Auch ihr Lebens-Raum hat sich verändert.

Beschreibung der Bocks-Riemenzunge

Sie besteht aus vielen einzelnen Blüten.
Diese Blüten bilden zusammen einen großen Blüten-Stand.
Die Einzelblüte hat mehrere Blüten-Blätter.
Das mittlere unten ist sehr auffällig.
Es ist viel länger als die anderen.
Und es ist verdreht.
Die Orchideenblüte ist eher blass.
Sie hat grünlich-weißlich-bräunliche Farbverläufe.
Wenn man Orchideen trocknet,
verlieren sie ihre Farbe.
So ist es auch bei der Bocks-Riemenzunge.
Auch der Name verrät etwas über die Pflanze.
Das Bock steht für Ziegen-Bock und zeigt so,
dass die Orchidee nicht gut riecht.
Riemenzunge steht für das lange Blütenblatt.
Es erinnert an eine lange Zunge.

Woher stammt die Orchidee?

Der Pflanzen-Beleg stammt aus einem sehr bekannten Herbarium:
Das Haussknecht-Herbarium.
Es gehört jetzt der Universität in Jena.
Doch ursprünglich kommt die Sammlung aus Weimar.
Carl Haussknecht hat sie begonnen und zusammengestellt.
August Johann Georg Karl Batsch fand die Pflanze
gegen Ende des 18. Jahrhunderts in der Nähe von Jena.
Er lebte von1761–1802.

Wir kam die Orchidee in die Sammlung nach Jena?

August Johann Georg Karl Batsch wurde in Jena geboren.
Er studierte in Jena Medizin und Naturgeschichte.
Ab 1786 war er außerordentlicher Professor an der Universität.
Er leitete ab 1794 den Botanischen Garten als erster Direktor.
Eine enge Verbindung bestand zwischen Batsch
und Johann Wolfgang von Goethe.
Batsch gründete 1793 die Naturforschende Gesellschaft zu Jena.
Als er starb, gingen seine gesammelten Pflanzen in die
botanische Sammlung ein.
Sie wurde dann von Friedrich Siegmund Voigt verwaltet.
Später kamen die Sammlungen an die Universität.
Matthias Jakob Schleiden war der Leiter von allen
der Einrichtungen an der Universität,
die sich mit dem Wissen über Pflanzen beschäftigten.
Er entschied, dass das Herbarium von der Jenaer Naturforschenden Gesellschaft in das Herbarium Hausknecht eingeordnet wird.
Carl Haussknecht hatte auch eine große Sammlung an Pflanzen angelegt.
Die Sammlung  von Carl Haussknecht war privat.
Später wurde sie an die Universität Jena angeschlossen.
Die Sammlung zog dann von Weimar nach Jena um.

Wer die Bocks-Riemenzunge mal riechen möchte,
findet sie vielleicht im August noch auf den Halbtrocken-Rasen um Jena,
wenn auch nur im vertrockneten Zustand.
Aber bitte: stehenlassen!

Aus der Sammlung Herbarium Haussknecht
"Flora Jenensis"
Himantoglossum hircinum (L.) Spreng.
Sammlung Herbarium Haussknecht, Inv. Nr. JE00023874.
Maße: 28,3 x 48 cm.
Scan: Andrea Todt

Literatur:
Korsch, H. & Westhus, W. 2011. Rote Liste der Farn- und Blütenpflanzen (Pteridophyta et Spermatophyta) Thüringens. 5. Fassung, Stand: 10/2010. – Naturschutzreport 26: 366–390, hier S. 378.
Pusch, J., Barthel, K.-J. & Heinrich, W. 2015. Die Botaniker Thüringens. – Haussknechtia Beih. 18. S. 38–40.
Voelckel, H. 2014. Himantoglossum hircinum (L.) Spreng. Bocks-Riemenzunge. – In: Heinrich, W. et al. Thüringens Orchideen. – Uhlstädt-Kirchhasel: Arbeitskreis Heimische Orchideen Thüringen e.V. S. 561–571.
Ziche, P. 2002. Die Jenaer Naturforschende Gesellschaft und ihre Bedeutung für die Naturforschung in Jena. In: Döring, D. & Nowak, K. (Hrsg.): Gelehrte Gesellschaften im mitteldeutschen Raum (1650–1820), Teil 2. S. 107–131, hier S. 121 und 129.
Zündorf, H.-J., Günther, K.-F., Korsch, H. & Westhus, W. 2006. Flora von Thüringen. – Jena: Weißdorn Verlag. S. 501.

Kristin Victor / Dr. Jörn Hentschel