Object of the month

Für höchste Beanspruchung im Biologieunterricht

Aus der Sammlung Arbeitsgruppe Biologiedidaktik
Wandtafelständer
(Foto Michael Markert)

Der Wandtafel- oder "Karten"-Ständer ist eigentlich kein Objekt unserer historischen Lehrmittelsammlung. Vielmehr gehört er - wie auch Mappen für mikroskopische Präparate, Schränke und Diakästen zu deren Infrastruktur.
Zu den Möglichkeiten der Erfassung, Lagerung, Nutzung, Reparatur, Sortierung und Präsentation in solchen Sammlungen existiert nur wenig Forschung. Lehrmittel wie Wandtafeln und Modelle wurden in den letzten Jahren zu einem immer bedeutenderen Teil der wissenschaftsgeschichtlichen Forschung. Nun ist es an der Zeit, auch die Sammlungen als Räume mit ihrer eigenen Struktur und Dynamik in den Blick zu nehmen. Immerhin betreut jede Schule, jedes anatomische, botanische, geographische oder physikalische Institut bis heute solche Sammlungen - mit sehr unterschiedlichen Strategien.

Die Kulturwissenschaftlerinnen Anke te Heesen und Anette Michels (2007) hatten sich schon vor einigen Jahren im Rahmen der Ausstellung "Auf/Zu" in Tübingen den unterschiedlichen Arten und Funktionen von Sammlungsschränken angenommen. Der zugehörige Katalog gewährt überraschende Einsichten in die unterschiedlichen Formen und Funktionen solcher Schränke. In Wandtafelsammlungen findet man andere eigentümliche Gemeinsamkeiten wie etwa besondere Hängesysteme, Karteikästen mit fotografischen Reproduktionen der Tafeln oder eben auch Wandtafelständer unterschiedlicher Anmutung. Aufgrund seiner zentralen Funktion soll der Ständer hier gleichberechtigt mit anderen Objekten unserer Sammlung gewürdigt werden.

Deshalb zuerst eine ausführliche Objektbeschreibung: Unserer Ständer entstammt einer Serienproduktion aus dem frühen 20. Jahrhundert und ist zusammengeschoben 1,73 m beziehungsweise ausgezogen 2,86 m hoch. Fuß (65cm x 57cm) und Rahmenkonstruktion sind aus verschweißtem, schwarz lackiertem Stahl gefertigt. In die Profile des Rahmens ist eine Leiste aus Nadelholz eingelassen, die sich entlang des Rahmens verschieben lässt. Dazu dient eine rückseitige, stählerne Hebelkonstruktion, welche die Leiste an den Rahmen drückt, sich einhändig bedienen lässt und die stufenlose Höhenverstellung erlaubt.
Am oberen Ende dieser Leiste ist eine Art 'Maul' befestigt, bestehend aus zwei horizontalen Nadelholzbacken mit eingelassener Rundnut. Die Backen lassen sich mittels stählerner Gelenke so bewegen, dass man zwischen ihnen eine Rund- oder Halbrundleiste variablen Durchmessers einlegen und durch das Eigengewicht der Konstruktion fixieren kann. Solche Holzleisten befinden sich üblicherweise an den unteren und oberen Enden von Wandtafeln und dienen vor allem dem Stoßschutz, der Stabilisierung, Lagerung und Hängung.
Die Stahl- und Holzteile des Ständers sind auf höchste Beanspruchungen ausgelegt und selbst nach jahrzehntelanger Nutzung noch voll funktionsfähig und leichtgängig. Der Ständer ist trotz seines recht hohen Gewichtes auch über längere Strecken von einer Person tragbar und kann damit frei in und zwischen Räumen bewegt werden.
So einfach und schlicht er auch erscheinen mag - als hochfunktionales technisches Gerät ist der Ständer ein wesentlicher Bestandteil von und Voraussetzung für Unterricht. In nur wenigen Schul- und Seminarräumen gab es ausreichend große frei Wandflächen oder in die Wand integrierte Hängesysteme neben der Tafel. Ohne den Tafelständer hätten die ehemals zentralen großformatigen Lehrtafeln nicht eingesetzt werden können.
Der Wandtafelständer ist in den Worten des Technikhistorikers David Edgerton (2007) "technology-in-use": nicht neu, innovativ und auffällig, sondern ein hochoptimierter, alltäglicher und deshalb oft übersehener Gebrauchsgegenstand.

Wandtafelständer wie dieser sind noch bis zum 15. September 2013 in der Ausstellung "Biologieunterricht. Modelle, Präparate, Wandtafeln" im Naturkundemuseum Gera zu sehen. Die Lehrmittelsammlung der Arbeitsgruppe Biologiedidaktik ist darin mit zahlreichen Objekten beteiligt, unter anderem einem Modell zur Bohnenkeimung.

Literatur:
Edgerton, D. (2007): The shock of the old. Technology and global history since 1900. Oxford: Oxford University Press.
te Heesen, A. & Michels, A. (Hg.) (2007): auf/zu. Der Schrank in den Wissenschaften. Berlin: Akademie Verlag.

Maße: 173cm (H) x 65cm (B) x 57cm (T)
Material: Stahl, Nadelholz
Herstellungszeit: 20. Jhd.
Sammlung der Arbeitsgruppe Biologiedidaktik

Michael Markert