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Mit Hegel auf Augenhöhe

In der Ausstellung Abenteuer Denken – Der Jenaer Hegel, die anlässlich des 250. Geburtstags des Philosophen im Romantikerhaus Jena gezeigt wird, lässt sich auch eine Bronzebildnis Hegels betrachten. In klassischer Büstenform, der unbekleidete Oberkörper bis zum Schulter- und Brustansatz sichtbar, wird der Dargestellte als älterer, aber kräftig-gesunder Mann gezeigt. Seine Physiognomie trägt sowohl individuelle als auch idealisierte, überzeitliche Züge, wie auch seine Frisur mit dem zurückgehenden Haaransatz und dem Wangenbart persönliche Aspekte Hegels berücksichtigt, aber auch übliche Darstellungskonventionen aufgreift. Das lebensgroße Porträt steht auf einem klassisch gestaltenden Sockel, womit die Ehrung noch einmal unterstrichen wird.
Der Bronzeguss geht auf das im Jahr 1826 entstandene Original von Ludwig Wilhelm Wichmann zurück, der zur damaligen bekannten Berliner Bildhauerschule gehörte und vor allem für seine Porträts geschätzt wurde. So übersandte Wichmann als bald eine Hermenbüste seines Hegels nach Weimar, wo Goethe sie wohlwollend begutachtete. Sicherlich auch aufgrund dieser Reputation wurde Wichmanns Hegel-Porträt zu einem beliebten Erinnerungsstück an den 1831 verstorbenen Philosophen, und auch in Jena wollte man sich seiner kurzen Schaffenszeit erinnern: Zum Jubiläum 1858, also ungefähr 50 Jahre nach dem Weggang Hegels aus Jena, schenkten der damalige Prinzen Wilhelm von Preußen – später erster deutscher Kaiser – und seine Gemahlin Augusta von Sachsen-Weimar-Eisenach die Bronzebüsten von Schelling, Fichte und Hegel der Jenaer Universität in Gedenken „an die hervorragende Bedeutung, welche die Universität Jena als die treue Pflegerin deutschen Geistes und deutscher Wissenschaft sich seit ihrer Gründung stets erhalten hat“, wie es im Handschreiben dazu heißt.

Seit den 1990er Jahren findet die Hegel-Büste zusammen mit anderen Gelehrten-Porträts Aufstellung im Hörsaal des Philosophischen Instituts, wo sie auf  Wandkonsolen hoch über den Köpfen der Lehrenden und Studierenden angebracht und damit auch Ausdruck der von Wolfram Hogrebe einmal als „Versäulungsprozess“ bezeichneten Erinnerungspolitik geworden ist. Im Romantikerhaus bietet sich nun die Gelegenheit, dem Jenaer Hegel einmal auf Augenhöhe zu begegnen.

Aus der Kustodie (Kunstsammlung):
Ludwig Wilhelm Wichmann: Porträtbüste Georg Wilhelm Friedrich Hegel 1826
Bronzeabguss von Bellair & Comp. vor 1858
H: 61,5 cm
InvNr. 2020/27

Die Ausstellung Abenteuer Denken. Der Jenaer Hegel ist noch bis zum 15. November 2020 im Romantikerhaus Jena zu sehen.

Dr. Babett Forster