Object of the month

Lothar Zitzmann: Mühsal und Freude der wissenschaftlichen Erkenntnis, 1974

Lothar Zitzmann, Mühsal und Freude der wissenschaftlichen Erkenntnis (1974), 
Öl/Hartfaser (120 x 236 cm), 
Kustodie, Friedrich-Schiller-Universität Jena, 
Inv.-Nr. M 84

 

Von der Jugend und ihrem Streben nach Wissen

Der deutsche Maler und Professor Lothar Zitzmann (1924-1977), welcher nur ein paar Kilometer von Jena entfernt geboren wurde und drei Jahre seines Lebens an der Friedrich-Schiller-Universität studierte, stellt in seinem 120 x 236 cm großen Werk die „Mühsal und Freude wissenschaftlicher Erkenntnis“ dar.

Das Gemälde zeigt eine siebenköpfige Lehrgruppe aus weiblichen und männlichen Figuren, die sich von dem unteren zum oberen Bildrand emporhebt. Vertieft in die Lektüre der aufgeschlagenen Bücher sind die Blicke der beiden unten links platzierten Frauenfiguren auf die Buchseiten gerichtet. Mit wie viel Anstrengung der Erwerb des Wissens verbunden ist, wird durch die aufgestützten Köpfe symbolisiert. Die Gesichter der anderen Figuren sind nach oben gerichtet; ihre aufmerksamen, konzentrierten Blicke gelten der Flamme, welche die beiden in der Bildmitte platzierten Figuren in ihren Händen halten. Die starke Aufwärtsbewegung der Gruppe wird von den wellenartig geformten, religiös anmutenden Gewändern der Figuren und ihren Haaren unterstützt. Jegliche Bewegung – die der Strebenden, aber auch die der wellenartigen Formen im Hintergrund – ist auf diese Flamme gerichtet, welche so den Höhepunkt des Gezeigten bildet.

Zitzmann greift mit dem Motiv der Flamme als Zeichen für die (wissenschaftliche) Erkenntnis ein sehr altes Symbol auf. In der griechischen Mythologie ist es Prometheus, der den Menschen das Feuer und auch das damit verbundene Wissen gibt. Es ist ein Grundstein des menschlichen Lebens. Den Moment der Übergabe von Wissen durch die ältere Generation an die Jüngeren zeigt sich hier durch die beiden, die Flamme kelchförmig umfassenden Figuren. Auffallend ist dabei: Es ist ausschließlich den Männerfiguren vorbehalten, die Flamme zu berühren, Wissen weiterzugeben und zu erhalten, die Freude der wissenschaftlichen Erkenntnis zu erfahren.

Weitergegeben wird nicht nur das Wissen, sondern auch (damit verbundene) Regeln und Traditionen. In der Bibel ist das Feuer Symbol für das Göttliche, das Transzendente. Gott erschien Mose in Form eines brennenden Dornenbuschs auf dem Berg Sinai, offenbarte sich ihm dort und verkündete ihm seine Gesetze, die zehn Gebote. Das Motiv des Feuers erhält in der Darstellung also eine Doppelkonnotation: Es ist Zeichen der Erkenntnis, nach der der Mensch strebt, aber auch Quelle von Regeln und Geboten. Auf dieses Motiv referiert Zitzmann nicht nur in der Formen- sondern auch in seiner Farbsprache: Leuchtende Gelb- und Rottöne lassen die Abgebildeten selber zu einem lodernden Feuer verschmelzen.

Das Werk greift auf eine abstrakte Formensprache zurück und entspricht nicht den strengen Vorgaben des sozialistischen Regimes. Dies verwundert bei der Betrachtung des Entstehungskontextes: Dem 25-jährigen Jubiläums der Gründung der DDR, zu dessen Anlass die Friedrich-Schiller-Universität das Werk in Auftrag gab. Zitzmann selber beschrieb seinen Stil als „lapidaren Realismus“: Eine Darstellungsweise, die sich durch eine prägnante Form- und Farbgebung und einer Prägnanz im künstlerischen Ausdruck auszeichnen soll.

Nada Hussein