Objekt des Monats

Astronomische Pendeluhr von Benjamin Vulliamy

Als die Jenaer Sternwarte im Jahre 1813 auf Veranlassung Herzog Carl Augusts von Sachsen-Weimar unter Goethes Oberaufsicht gegründet wurde, war das Fach Astronomie schon seit über 250 Jahren ununterbrochen an der Jenaer Universität vertreten.

Als Ursachen für die Einrichtung der Herzoglichen Sternwarte in Jena gelten ganz wesentlich die Entdeckungen von Uranus als erstem nicht mit bloßem Auge sichtbaren Planeten durch Herschel im Jahre 1781 und von Ceres als erstem der Kleinen Planeten – nach der damaligen Bezeichnung – durch Piazzi in der Neujahrsnacht 1801 sowie die von Olbers und Gauß gefundenen neuen Methoden zur Bahnbestimmung dieser Himmelskörper, so daß am Beginn des 19. Jahrhunderts »ein erheblicher Optimismus auf dem Gebiet der Astronomie« herrschte. »Vor diesem allgemeinen Hintergrund ist auch der ehrgeizige Plan zur Gründung einer Sternwarte an der Universität Jena zu sehen, der in dieser Zeit bei Carl August entstand.« Goethe hat daran einen nicht unerheblichen Anteil. Die häufigen Zusammenkünfte zwischen Goethe und dem Jenaer Mathematikprofessor Karl Dietrich von Münchow im Hause von Knebel im Herbst des Jahres 1811 und der Besuch des Gothaer Sternwartendirektors Bernhard August von Lindenau Ende September des gleichen Jahres in Weimar sprechen dafür. »Außer Goethe und Münchow sind also Knebel und Lindenau sicherlich mit den Plänen zur Gründung der Sternwarte befaßt gewesen. […] Es ist auch nicht ausgeschlossen, daß man sich in Weimar Hoffnung auf Erfolge bei der Berechnung der Bahnelemente dieser und anderer Himmelskörper gemacht hatte. So verdankte die 1811 gegründete Sternwarte ihr Entstehen dem mathematischen Interesse Carl Augusts, das in jenen Jahren unter von Müfflings Einfluß besonders rege war.«

Aus den ersten Jahrhunderten sind Bücher und Karten noch im Bestand erhalten, Instrumente sind nicht überliefert.

Nach der Einrichtung der Jenaer Sternwarte kamen eine Reihe von Geräten aus den herzoglichen Sammlungen in Weimar nach Jena, zu denen eine astronomische Pendeluhr aus der Werkstatt des Londoner Hofuhrmachers Benjamin Vulliamy, um 1780 hergestellt, zählt.

Benjamin Vulliamy (1747–1811) war ein englischer Uhr- und Chronometermacher. Sein Vater war der Uhrmacher Justin Vulliamy. 1775 übernahm Benjamin Vulliamy die Werkstatt seines Vaters in der Londoner Pall Mall und fertigte Präzisionspendeluhren für Observatorien sowie Taschenuhren und Taschenchronometer. 1800 wurde er von König Georg III. zum Hofuhrmacher ernannt. Für ihn baute er u.a. eine Präzisionspendeluhr. Sein Sohn Benjamin Louis Vulliamy (1780–1854) übernahm später die Werkstatt. Eine Geschichte der Familie ist bei der britischen Antiquarian Horological Society in Buchform veröffentlicht.

Da über drei Generationen die Uhren durchgängig nummeriert wurden und ein Teil der Werkstattbücher beim British Horological Institute erhalten sind, ist bei den Vulliamy-Uhren meist eine genaue Datierung möglich, was interessante Einblicke in die Weiterentwicklung der Uhrentechnik der Zeit erlaubt. Leider ist an der Jenaer Uhr eine Nummer nicht gefunden worden.

Die Jenaer astronomische Pendeluhr hat ein aus zwei Zink- und drei Stahlstangen zusammengesetztes Kompensations-Rostpendel.

Der Direktor der Jenaer Sternwarte von Münchow beschäftigte sich auch mit der Berechnung achromatischer Objektive und arbeitete bei der Entwicklung astronomischer Instrumente eng mit Friedrich Körner zusammen. Körner hatte, bevor er in Weimar Hofmechanikus wurde, in Jena studiert und wurde im Jahre 1816 auf Wunsch von Münchows und des Chemikers Johann Wolfgang Döbereiner als Hofmechanikus nach Jena berufen. Er erwarb 1818 den Doktorgrad und hielt bis zu seinem Lebensende als Privatdozent Vorlesungen über meteorologische Instrumente und Glasapparate für Chemie und Physik. Im Briefwechsel zwischen Goethe und Großherzog Carl August ist wiederholt von Körners Glasschmelzversuchen die Rede, die von beiden mit Interesse verfolgt und die auch in den dreißiger Jahren fortgesetzt wurden, als der junge Carl Zeiß Lehrling bei Körner war. Bemerkenswert ist, daß Zeiß an den Versuchen seines Meisters nicht teilnehmen durfte.

Die Zusammenarbeit zwischen Körner und Karl Dietrich von Münchow und den späteren Sternwartendirektoren mit dem Ziel der Verbesserung der wissenschaftlichen Geräte durch die Verbindung von Theorie und Praxis erfolgte im gleichen Sinne, wie das später Ernst Abbe und Carl Zeiß in Jena mit großem Erfolg getan haben.

Das Werk der Jenaer Uhr ist in den 1820er und 1830er Jahren mehrfach von Körner überholt worden. Das Holzgehäuse ist mit einem Mahagonifurnier versehen, es ist 196 cm hoch, 45 cm breit und 21,5 cm tief.

Nach fast zwei Jahrhunderten ist im Sommer 2011 eine erneute Restaurierung von Uhrwerk und Gehäuse durch den Uhrmachermeister Ihno Fleßner und den Holzrestaurator Hans-Dieter Mester aus Rastede vorgenommen worden.

Die Arbeiten wurden ermöglicht durch private Spenden über die Gesellschaft der Freunde und Förderer der Friedrich-Schiller-Universität Jena e.V. und eine nicht unerhebliche Zuwendung des Thüringer Ministeriums für Bildung, Wissenschaft und Kultur.

Reinhard E. Schielicke 

Inv.-Nr. AST 1785/1.

Höhe 196 cm, Breite 45 cm, Tiefe 21,5 cm.

1813 aus dem Mathematischen Büro Herzog Carl Augusts an die Jenaer Sternwarte gekommen.

Literatur:

Knopf, 0.: Die Astronomie an der Universität Jena von der Gründung der Universität im Jahre 1558 bis zur Entpflichtung des Verfassers im Jahre 1927. Jena: Gustav Fischer, 1937

Vulliamy, D.: The Vulliamy clockmakers. Antiquarian Horological Society, Wadhurst, 2002

Schielicke, R.E.: Zeugnisse über die Entwicklung des Observatoriums und das Wirken der Astronomen an der Sternwarte zu Jena am Beginn des 19. Jahrhunderts. Reichtümer und Raritäten der FSU Jena 3 (1990), 132-144

Schielicke, R.E.: Von Sonnenuhren, Sternwarten und Exoplaneten. Astronomie in Jena. Jena, Quedlinburg: Dr. Bussert & Stadeler, 2008. S. 93