Münzen transportieren stets eine Botschaft, die über ihren nominellen Wert hinausreicht, das wird auch an den ersten Münzen des islamischen Großreiches deutlich. Seit 622 n. Chr., dem Beginn der islamischen Zeitrechnung, breitete sich durch Eroberungszüge arabischer Krieger der Islam in rasantem Tempo aus. In weniger als einem Jahrhundert entstand ein Reich, das von Spanien bis nach Indien reichte und weite Teile des ehemaligen römischen Reiches sowie das gesamte Perserreich umfasste. Die Muslime übernahmen zunächst die Münzen der besiegten Gegner und samt deren Münzen deren Bildprogramm mit Herrscherabbildungen und Götterstatuen. Nur einige hinzugesetzte arabische Worte, wie Im Namen Gottes, des barmherzigen Erbarmers oder Es gibt keinen Gott außer Gott, und Mohammed ist sein Prophet zeigen bei Neuprägungen den Herrscherwechsel an.
Dies änderte sich mit dem Kalifen Abdel Malik, der wichtigsten Herrschergestalt der frühen islamischen Geschichte. Als „Führer der Gläubigen“ regierte er von 685 und 705 und war er zugleich politisches und religiöses Oberhaupt. 692 ließ er in Jerusalem den Felsendom errichten. In einer umfassenden Verwaltungsreform führte er im Reich ein einheitliches Münz- und Steuersystem ein und setzte das Arabische als Verwaltungssprache durch.
Sichtbares Zeichen dieser Epochenwende waren die neuen Münzen. In zwei Schritten wurden sie an die neue Herrschaft angepasst. Unser Objekt des Monats zeigt den ersten Schritt: ein Golddinar, der 696 in Damaskus geprägt wurde. Seine Gestaltung orientiert sich noch an byzantinischen Vorbildern, doch sind die Inschriften nun rein arabisch. Anstatt des byzantinischen Kaisers und seiner Söhne, wie noch auf älteren muslimischen Prägungen, ist nun der aktuelle Herrscher zu sehen – es handelt sich tatsächlich um eine Abbildung des Kalifen Abdel Malik. In der Hand trägt er ein Schwert im Futteral.
Bemerkenswert ist die Rückseite: Auf dem Podest ist auf byzantinischen Münzen ein Kreuz zu sehen. Dieses wurde hier zu einer Säule mit Kugel umgeformt, möglicherweise ein städtisches Machtsymbol aus spätrömischer Zeit.
Ein radikaler Bruch mit der byzantinischen Bildtradition folgte wenige Monate später: Seit dem Jahr 697 waren in Übereinstimmung mit dem muslimischen Bilderverbot sämtliche Abbildungen entfernt, und die Münzen nur noch mit Schrift gestaltet. Als Instrument der Herrschaft lässt dieser neue Münztyp keinen Zweifel daran, in wessen Händen nun die Macht lag und welchem Gott die alleinige Anbetung gebührte.
Prof. Dr. Frank Weigelt
Podcast zum Kalifen Abdel Malik auf der Seite des British Museum https://www.bbc.co.uk/ahistoryoftheworld/objects/YQMPZkAXRW6iYDCe5L4KSA
Angaben zum Objekt:
Dinar, [Damaskus], 77 nach der Hiǧra (696 n.Chr.), 4,45g, 20mm, aus der Sammlung Frédéric Soret, 1866, heute im Orientalischen Münzkabinett Jena.
Unsere Webseite: https://www.gw.uni-jena.de/omj
Das Orientalische Münzkabinett Jena ist – nach der Sammlung der Universität Tübingen – die zweitgrößte Sammlung orientalischer Münzen in Deutschland. Gut die Hälfte der rund 21.000 Objekte sind bisher erschlossen. Ein Teil von Ihnen sind hier einsehbar https://www.kenom.de/suche/-/-/1/-/CENTURY%3A8%3B%3BPARTNERID:isil_DE-MUS-044822/