Objekt des Monats

Eine alte Sternkarte aus Korea – mit langer Vorgeschichte und aktueller Verwendung

Koreanische Sternkarte
Astronomische Sammlung FSU Jena
Pergament und Leder, 138 cm mal 87 cm, unter Glas
(Foto: Friedrich-Schiller-Universität Jena)

Die Sternkarte, die in der Sternwarte des Astrophysikalischen Instituts ihren Platz gefunden hat, wurde der Universität Jena 1958 anlässlich ihrer 400-Jahrfeier von einer nordkoreanischen Delegation geschenkt. Das Vor-Vorläufer-Original, eingeritzt in Stein, wohl aus China stammend, stand zunächst im heutigen Pjöngjang, bis dieses im Jahr 670 bei einer Eroberung verloren ging. Allerdings blieb wohl eine Kopie, vielleicht als Durchzeichnung oder Abdruck des ursprünglichen Reliefs, erhalten, die im Jahre 1392 dem Gründer der Yi-Dynastie übergeben wurde. Dieser war so beeindruckt, dass er die Übertragung auf einen Marmorblock veranlasste. All das erfährt man in einem kurzen Text, der sich unterhalb der eigentlichen Sternkarte befindet - und verschiedene Argumente, auch astronomische, lassen diese Erzählung im Kern glaubhaft sein. Die neue Stele wurde in der neuen Hauptstadt Seoul aufgestellt, wo sie sich heute in einem Museum befindet. Noch 1571 konnten Abdrucke von ihr gefertigt werden, nach mehreren Beschädigungen wurde 1687 eine hochwertige Replika geschaffen; dieser Marmorblock dürfte als Vorlage für das Jenaer Exemplar gedient haben. Der Titel, der als Chonsang yolcha punya chido oder auch Cheonsang yeolcha bunyajido transkribiert wird, bedeutet ungefähr “die natürliche Ordnung der Himmelskörper und die Regionen, die sie regieren” (Pergament und Leder, 138 cm mal 87 cm, unter Glas).

Die Sternkarte zeigt über 260 Sternbilder, deren Mitglieder und Verbindungen seit der antiken Han-Dynastie mehr und mehr fixiert wurden. Unsere Kopie verwendet zu ihrer Darstellung verschiedene Farben, entsprechend der chinesischen Tradition. Alle Sternbilder sind beschriftet mit Name und der Anzahl ihrer Mitglieder (z.B. "Shen 10", Shen entspricht i.w. dem babylonisch-griechischen Orion, zu finden im rechten unteren Viertel). Insgesamt werden auf diese Weise knapp 1500 Sterne durch bestimmte Muster "geordnet", wenn auch ihre einzelnen Positionen nicht exakt wiedergegeben werden.

Das geschwungene graue Band der Milchstraße steht in einem gewissen Kontrast zu den weiteren geometrischen "Ordnungen". Als konzentrischer Kreis in der Mitte ist der Himmelsäquator und als dazu geneigter Kreis die Ekliptik eingezeichnet. Während der innere Kreis jene Sterne beinhaltet, die das ganze Jahr über zu sehen sind (Nordpolarregion), markiert der große äußerere die Grenze des sichtbaren Himmels (die Südpolarregion wird also nicht dargestellt). Zudem finden sich als dünne Linien die Begrenzungen der sog. 28 chinesischen Mondstationen; diese verlaufen entlang äquatorialer Großkreise (unter Aussparung der Polarregion) über die entsprechenden Determinationssterne von 28 speziell festgelegten Sternbildern, deren Koordinaten unterhalb der Planisphäre gelistet sind.

Im Arbeitsgebiet der Terra-Astronomie am Astrophysikalischen Institut der FSU Jena werden Überlieferungen vor-teleskopischer Himmelsbeobachtungen (u.a. Supernovae, Novae und Kometen) als epistemischer Schlüssel für aktuelle astrophysikalische Fragestellungen verwendet; dies erfolgt transdisziplinär in Zusammenarbeit mit Philosophie, Geschichtswissenschaften, Philologie (alte Sprachen) und Astronomiegeschichte. Die alte Sternkarte hilft hierbei, den reichen schriftlichen Überlieferungsstrom aus Fernost besser zu verstehen.

Beispiele: https://doi.org/10.1093/mnras/stac1969 (Stern Beteigeuze war vor 2000 Jahren noch gelb) oder https://doi.org/10.1016/j.icarus.2020.114278 (Bahn des Kometen Halley im Jahre 760); mehr auf https://www.astro.uni-jena.de/index.php/terra-astronomy.html

Dagmar L. Neuhäuser und Ralph Neuhäuser

Literatur:

Ahn, S.-H., 2015, Astronomical characteristics of Cheonsang-yeolcha-bunyajido from the perspective of manufacturing methods, Journal of Astronomy and Space Sciences 32, p. 51-62, doi 10.5140/JASS.2015.32.1.51

Rufus, W.C., 1915, Korean's cherished astronomical chart, Popular Astronomy 23, p. 193

Stephensen, S.R., 1994. Chinese and Korean star maps and catalogs. In: Harley, J.B., Woodward, D. (Eds.), The History of Cartography, book 2: Cartography in the traditional East and Southeast Asian societies, vol. 2. University of Chicago Press, p. 511-578 (https://press.uchicago.edu/books/HOC/HOC_V2_B2/HOC_VOLUME2_Book2_chapter13.pdf)