Gibt es Gespenster, existieren Kobolde? Das war in dem östlich von Jena gelegenen Dorf Gröben für Pfarrer Jeremias Heinisch (1684–1747) und seine Familie eine Schicksalsfrage. Schon früher hatte es im Gröbener Pfarrhaus gespukt. Was aber am 17. Juni 1718 beginnt, stellt alles in den Schatten. Erst fliegen Steine auf das Dach des Viehstalls, ohne dass ein Werfer sichtbar ist. Steine erheben sich vom Boden, fliegen teils um die Ecke. Auch das Pfarrhaus und seine Innenräume werden zum Ziel. In Jena sucht Heinisch u.a. bei dem Theologen Johann Franz Buddeus Rat, schreibt anderen Gelehrten, was ihn nicht weiterbringt. Es wird nur schlimmer. Gegenstände fliegen, Fenster, Töpfe, Schüsseln gehen zu Bruch, Bier und Milch verderben. Der Steinhagel wächst, die Angst auch. Heinischs Frau und der neugeborene Sohn werden krank und ausquartiert. Schaulustige und Rettung verheißende Scharlatane nerven. Einmal kommen bewaffnete Jenaer Studenten, spotten und prahlen, ziehen nach einem Steinwurf aber kleinlaut ab. Am 8. September endlich fliegt der letzte Stein, dann kehrt Ruhe ein. All dies berichtet Heinisch, für den als Peiniger einzig ein Kobold in Frage kommt, in einer 1723 in Jena gedruckten, an alle Zweifler adressierten Verteidigungsschrift, von der die ThULB Jena zwei Exemplare besitzt.
In der ThULB befindet sich auch das Objekt des Monats, eine im selben Jahr in die Presse gebrachte 80seitige Kritik an Heinischs Werk. Ihr Verfasser verschweigt seinen Namen, schreibt u.a., er habe an der „Academie zu J.“ (doch wohl Jena) „Lehre von Gespenstern“ betrieben. Dass der Hallenser Aufklärer Christian Thomasius der Autor war, wie wenig später geschrieben wurde, ist fraglich. Auf der Titelseite legen zwei Kupferstiche eine mögliche optische Täuschung bei den Steinwürfen auf den Stall nahe. Der darunter angegebene, fingierte Druckort „Raptim“ (lat.: in Eile) könnte auf die damals erzählte Schote anspielen, dass ein General einen Brief mit diesem Wort neben dem Datum erhielt und den vermeintlichen Ort Raptim vergeblich auf der Landkarte suchte.
Der Anonymus thematisiert anfangs den Wahrheitsbegriff, die Rolle von Gruselgeschichten in der Kindeserziehung und eigene Spukerlebnisse, aus denen er gelernt habe, den Dingen auf den Grund zu gehen und harmlose Ursachen zu erkennen. Dann gibt er abschnittsweise Heinischs Text wieder, unterbrochen von Gegenthesen in Frageform („Interrogatoria“), und fordert den Pfarrer auf, ihm zu antworten und von Haus und Hof Grund- und Aufrisse zu publizieren. Hat Heinisch jemals reagiert? Seine Schrift ließ er nochmals 1736 und 1737 in Magdeburg drucken. Der Anwurf des Anonymus ist dort mit keinem Wort erwähnt.
Dr. Joachim Ott, Leiter der Abteilung Historische Sammlungen der Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena
Signatur: 4 Phys.III,42(11)