Objekt des Monats

Mit Epikur im Garten

Porträtbüste des griechischen Philosophen Epikur (Abguss; Inv.-Nr. SH 249 / Antikensammlungen der Friedrich-Schiller-Universität Jena) 
(Foto: Lehrstuhl Klassische Archäologie / Friedrich-Schiller-Universität Jena)

Rekonstruktion der Sitzstatue des Epikur (Bildquelle: Archäologisches Institut der Universität Göttingen, Foto Stephan Eckardt)
 

Zu den Beständen der Jenaer Antikensammlungen gehören neben zahlreichen Originalobjekten auch Gipsabgüsse von Bildwerken der griechisch-römischen Antike, unter denen sich mehrere rundplastische Porträts historischer Personen befinden. Eine Auswahl von etwas mehr als 30 Abgüssen wird derzeit in der Sonderausstellung „Hall of Fame. Antike Porträts im Fokus“ präsentiert. Zu sehen ist auch dieser Abguss einer römischen Marmorreplik, die heute in den Kapitolinischen Museen von Rom steht. Sie zeigt den griechischen Philosophen Epikur, der von 341 bis 270 v. Chr. lebte. Das nicht mehr erhaltene griechische Original, auf das die römische Kopie und somit auch der Jenaer Gipsabguss zurückgehen, wird in die Zeit kurz nach Epikurs Tod datiert.

Der 1862 nach Jena gelangte Abguss zeigt den Philosophen mit länglich-ovalem Gesicht, gerader Nase und schmalen, geschlossenen Lippen. Besonders charakteristisch sind die stark ausgeprägten Wangenknochen. Das Gesicht wird von dicken Haarsträhnen umrahmt, die vom Scheitel nach vorne gekämmt in die Stirn fallen. Markant ist außerdem der lange, üppige Bart, dessen wellige Strähnen sich unter dem Kinn teilen. Der Kopf ist leicht nach vorn geneigt. Unter den zusammengezogenen Augenbrauen richtet sich Epikurs ernster Blick nach oben, er trifft den Betrachtenden aber nicht frontal, sondern schweift leicht nach links. Gesichtsfalten an Stirn und Augen charakterisieren das höhere Alter des Dargestellten, angespannte Brauen lassen ihn nachdenklich und konzentriert wirken, was in der Antike als ein Motiv von Wissen und Intelligenz galt. Das sorgfältig angelegte Haar und der klassisch stilisierte Bart zeigen im Vergleich zu zeitgenössischen Bildnissen gegensätzliche Wertvorstellungen. Anders als die gestutzten Bärte der Stoiker und Kyniker signalisiert der Vollbart, der zu Epikurs Lebzeiten längst nicht mehr in Mode war, hier eine positive Meinung des Porträtierten zu den älteren Traditionen der griechischen Polis.

Die archäologische Forschung hat das in mehreren Kopien erhaltene Porträt des Epikur früh in Zusammenhang mit dem Körper einer marmornen Sitzstatue in Athen gebracht. Sie zeigt den greisen Philosophen ruhig auf einem mit Löwen verzierten Thron sitzend mit langem Mantel, der nur einen Teil des leicht nach vorn gebeugten und deutlich altersgeschwächten Oberkörpers bedeckt. In seiner linken, auf dem Schoß ruhenden Hand hält Epikur eine Buchrolle. Die nicht mehr erhaltene rechte Hand war höchstwahrscheinlich in nachdenklicher Geste zum Gesicht geführt. Vermutlich war die Statue ursprünglich vor den Toren Athens in der 306 v. Chr. gegründeten Philosophenschule Epikurs’ aufgestellt. Als Initiator der statuarischen Ehrung in dem ländlich gelegenen Garten seiner Wirkungsstätte kann die Schülergemeinschaft des Philosophen angenommen werden. Aufgrund der starken Inszenierung der eigenen Person wurde Epikur als Autorität anerkannt und von seinen Schülern regelrecht verehrt. So konnte die epikureische Schule lange bestehen, ohne sich nach dem Tod ihres Begründers wie andere antike Philosophenschulen in einzelne Strömungen aufzuspalten. Geprägt ist die epikureische Philosophie von Hedonismus und Ataraxie. Sie verfolgt das Ziel, ein Leben der Freude und des Genusses zu führen, die Schmerz- sowie Furchtlosigkeit des Körpers zu erreichen und eine Erregungslosigkeit der Seele anzustreben. Noch heute ist der Epikureismus Teil der allgemeinen philosophischen Lehre.

Dr. Anne Gürlach

Sammlung von Abgüssen Antiker Plastik / Antikensammlungen des Lehrstuhls für Klassische Archäologie
Objekt: Gipsabguss einer Porträtbüste des Epikur
Maße: H 62,5 cm
Zustand: vollständig, gereinigt, stellenweise fleckig
Herkunft: Ankauf 1862, Inv.-Nr. SH 249 (vormals Noack 233); seit 2011 entliehen von Staatliche Museen zu Berlin / Stiftung Preußischer Kulturbesitz
Literatur: G. M. A. Richter, The Portraits Of The Greeks (Oxford 1984); P. Zanker, Die Maske des Sokrates. Das Bild des Intellektuellen in der antiken Kunst (München 1995).

Der Abguss ist noch bis zum 12.07.2024 in der Sonderausstellung „Hall of Fame. Antike Porträts im Fokus“ zu sehen.

Informationen zur Ausstellung erhalten Sie hier.