Objekt des Monats

Friedrich Bury: Johann Gottlieb Fichte

Friedrich Bury: Johann Gottlieb Fichte, um 1800, Kohlezeichnung auf Büttenpapier 58x44 cm, Kustodie, FSU Jena

Im Jahr 1913 berichtet Prof. Bruno Bauch dem Kurator Max Vollert über den Ankauf des „Burry’schen Fichte-Bildes“ und versichert ihm gleichzeitig, dass es damit der Universität gelungen sei, das bekannteste Bildnis Johann Gottlieb Fichtes (1762-1814) zu erwerben. Dies war sicher zutreffend, schließlich kursierten zu dieser Zeit bereits etliche Stiche nach diesem Original. Und obwohl die von Bauch erworbene Zeichnung weder signiert noch datiert ist, lässt sich ihre Entstehung recht gut rekapitulieren: Im Herbst des Jahres 1800 – Fichte wurde bekanntermaßen ein Jahr zuvor aufgrund des sog. Atheismus-Streits aus dem Lehramt entlassen – konnte wiederum der Maler Friedrich Bury (1763-1823) seinem Mäzen Goethe berichten, dass Fichte nach Bewunderung des Dichterporträts nun ebenfalls für ein Bildnis sitzen wolle. Als Resultat ist eben jene Zeichnung anzusehen, die sich seit Anfang des 20. Jahrhunderts im Besitz der Universität befindet.  

Johann Gottlieb Fichte ist im Brustbild nach links, im Dreiviertelprofil mit Kurzhaarschnitt wiedergegeben, sein Blick ist fest und aus dem Bild heraus gerichtet. Den Gehrock trägt er zum Hals hin offen, so dass der hohe Kragen bis zum Kinnbereich verläuft und am Hals auf die Schulterpartie umschlägt. Zwischen Kinn und Kragen drängt die Halsbinde des weißen Hemdes hervor.  

In einer eigenartig anmutenden Frisur reichen die längeren Haare des Hinterkopfes über den Rockkragen hinweg, während in der Stirn und auf dem Scheitel das Haar eher stoppelig wächst. Auch an den Schläfen fallen Strähnen über das Ohr. Wohl deshalb beschrieb der Redakteur der Jenaischen Zeitung von 1913 die Erscheinung des Philosophen als „etwas ungepflegt“. Doch steht der Nachlässigkeit der äußeren Erscheinung die Aufmerksamkeit des Zeichners für die Physiognomie des Gelehrten gegenüber: Die dem Betrachter zugewandte Seite des Gesichts wird durch die Lichtführung betont, die auch Teile der Kleidung erhellt und diese von den dunkler schraffierten Partien des Blattes absetzt. Die Kontur des Gesichtes ist exakt gefasst, vor allem Augen, Nase, Ohr, Kinn sind fein und detailliert gearbeitet, treten plastisch hervor, ganz so, als solle der betrachtende Blick stets zu ihnen zurückkehren. Im krassen Gegensatz dazu steht das eher achtlos hingeworfene und mit derben Strichen erfasste Gewand des Gelehrten. Diese Unterschiede in der grafischen Ausführung bedeuten dem Betrachter: Achte auf Kopf und Verstand, nicht auf das Dekor!

Einige Jahre später erhielt die Universität eine Büste aus grau-grünem Kunststein von Arthur Kampf, die den Philosophen in Untersicht und mit geöffnetem Mund als Redner zeigt. Medium und Darstellung bilden damit ein repräsentativeres Kunstwerk als das eher privat anmutende Bildnis im fragilen Medium der Zeichnung. Dagegen bietet die grafische Darstellung die historische Authentizität, die es gestattet, sich mit einem „der grössten und wirkungsreichsten Lehrern“ (Bauch) der Universität innerlich zu verbinden.

Die Zeichnung aus der Kustodie wird in der Ausstellung Der Maler Friedrich Bury. Goethes »zweiter Fritz« gezeigt, die vom 1. Mai bis zum 21. Juli 2013 im Schiller-Museum, Weimar und vom 18. August bis zum 20. Oktober 2013 im Schloss Philippsruhe, Hanau zu sehen ist.

Babett Forster