Objekt des Monats

Die Wandbilder von Martin Disteli im historischen Karzer

Wandbild (Detail) von Martin Disteli im historischen Universitätskarzer, Ostseite, 1822, Collegium Jenense (Fotos: Gina Grond)

Diese Darstellung eines Mannes im Profil ist nur eine von vielen Entdeckungen, die im Zuge der Konservierung des historischen Universitätskarzers zum Vorschein gekommen sind. Obwohl nicht vollständig erhalten, scheint es sich um die Ganzkörperfigur eines Mannes zu handeln. Er trägt einen Frack und hält einen Zylinder in der Hand.

In der 1738 neben dem Senatssaal im Collegium Jenense eingerichteten Arrestzelle hatten sich bereits einige Insassen durch Kritzeleien verewigt, als 1822 der Student und Burschenschafter Martin Disteli (1802-1844) alle vier Wände des Karzers mit bildlichen Darstellungen bemalte. 200 Jahre nach ihrer Entstehung war es nun notwendig geworden, die Bausubstanz und die Wandmalereien des einzigen erhalten gebliebenen Universitätskarzers in Jena und Mitteldeutschland zu reinigen und zu konservieren.

Schädigende Risse in den Wandbereichen, großflächige Abhebungen an Malschicht und Kalktünchen sowie bewegliche Putzschale und Fehlstellen gefährdeten den dauerhaften Substanzerhalt. Umfangreiche Konsolidierungsmaßnahmen sicherten die geschwächten Bereiche, bevor mit einer Oberflächenreinigung begonnen werden konnte. Der Schmutz der Jahrhunderte sowie lokale Übermalungen und Schleierbildungen überdeckten die getünchten Wände, die Decke und die Malereien derart stark, dass nach den Reinigungsarbeiten bisher unbekannte maltechnische Befunde zutage traten. Die in Öltechnik auf den trockenen Putz ausgeführten Malereien Distelis wurden an der Nord- und Südwand zu einem späteren Zeitpunkt mit Leimfarben nachgezeichnet. Dabei wurden Distelis Pinselstriche jedoch nicht immer korrekt und auch nicht vollständig erfasst.

Nach der Reinigung wurden störende Fehlstellen durch Kittungen und Retuschen geschlossen. Unterschieden wurde dabei zwischen Schäden und Nutzungsspuren, die als Teil der Objektgeschichte sichtbar bleiben sollten. Die Retuschen im Bereich der Malereien wurden in einer Strichtechnik ausgeführt, um Original und neue Zutat auch ohne geschultes Auge oder technische Hilfsmittel voneinander unterscheiden zu können.

Mit dem Karzerraum und den Ausmalungen Distelis besitzt die Universität Jena ein außergewöhnliches Kulturdenkmal. Durch die Ausmalung von einer Künstlerhand handelt es sich um ein unter den überlieferten Universitätskarzern in Deutschland einzigartiges Beispiel der Karzerausgestaltung. Die Bilder können als ein Frühwerk des später als Karikaturist berühmt gewordenen Schweizer Malers gelten; sie sind seine einzige im Format der Wandmalerei ausgeführte Arbeit und stellen einen bedeutsamen Kommentar zur Geschichte der Jenaer Burschenschaft dar.

Die Arbeiten wurden im Oktober 2022 abgeschlossen. Unser großer Dank geht an die Restauratorin Katharina Heiling, an das Thüringer Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie, an den Verein für Jenaer Stadt- und Universitätsgeschichte e.V. und an die Gesellschaft der Freunde und Förderer der Universität Jena für ihre großzügigen Förderungen.

Dr. Babett Forster

Gina Grond