Objekt des Monats

Bilzingsleben

Drei von Dietrich Mania zusammengepaßte Steinartefakte aus Bilzingsleben, oben links: Rekonstruktion des Umrisses eines Abschlagfragments (Zeichnung: C. Pasda).

Der Travertinbruch „Steinrinne“ bei Bilzingsleben (Lkr. Sömmerda, Freistaat Thüringen) entstand in einer Warmphase der Eiszeit vor etwa 400.000 bis 350.000 Jahren. Von 1971 bis 2002 führte hier Prof. Dr. Dietrich Mania Ausgrabungen durch. Das von ihm geborgene, umfangreiche Fundmaterial enthält mehrere Tonnen Tierknochen, über 100.000 Feuersteine, über 20.000 Gesteine, zahlreiche im Travertingestein erhaltene Abdrücke von Pflanzen und die ältesten Menschenknochen Mitteldeutschlands. Das heute dem Freistaat Thüringen gehörende Material ist seit 2008 als Leihgabe des Thüringischen Landesamts für Denkmalpflege und Archäologie an der Friedrich-Schiller-Universität Jena untergebracht. Mit den Objekten der 2004 bis 2007 durch die Universität Jena fortgeführten Ausgrabung befindet sich damit etwa die Hälfte aller auf der Steinrinne ausgegrabenen Funde in Räumlichkeiten mit Arbeitsplätzen für Studierende und Postdoktoranden. Die Sammlung wird zudem regelmäßig von Forschenden aus dem In- und Ausland besucht, sind die geborgenen Tierknochen doch ein seltenes Referenzmaterial für ganz Europa betreffende Vergleiche.

Vorgestellt werden aus der Sammlung die ältesten Steinartefakte aus Mitteldeutschland. Es handelt sich um drei große Stücke aus einem grobkörnigen Gneiss. Durch die von Dietrich Mania vor etwa 40 Jahren durchgeführte Zusammenpassung dieser drei Objekte wandte er eine der wichtigsten Methoden der Urgeschichte an: beim Zusammenpassen handelt es sich nicht um das Zusammensetzen von Fragmenten, wie wir es im Alltag mit einem zerbrochenen Blumentopf machen. Durch das Zusammenpassen lassen sich Artefaktcharakter, alle Herstellungsschritte und die Zielsetzung der drei Stücke beweisen. Der abgebildete Zusammenpassungskomplex zeigt die Bearbeitung eines 7cm langen und 9cm breiten Kerns mit einem Schlaginstrument, vermutlich einem schweren Schlagstein, um nach einer vorangehenden Präparation große Abschläge zu gewinnen. Von letzteren sind nur noch die zwei zusammenpassbaren 5cm und 7cm langen Abschläge erhalten geblieben. Wie die links oben gemachte Rekonstruktion des einen Abschlagfragments nahelegt, hatten diese zwar einen unregelmäßigen Umriß, wohl aber schneidende Kanten. Die durch die Zusammenpassungen belegte, schrittweise aufeinanderfolgende Herstellung von Abschlägen kann nicht durch natürliche Prozesse erfolgen. Damit beweist diese Zusammenpassung, dass es sich bei den drei Stücken um vom in dieser Zeit wohl neandertalerartigen Menschen hergestellte Geräte handelt.

Clemens Pasda

Literatur:

C. Bock/V. Neubeck/C. Pasda: Non flint from the Middle Pleistocene site of Bilzingsleben (excavation 1971 to 2002). Quartär 64, 2017, 7-25.