Objekt des Monats

Die Plastik „Kopf 1, lebensgroß“ von Rainer Stoltz

„Kopf 1, lebensgroß“, Gelbguss auf Granitsockel; H x B x T = 34 x 25,5 x 21,5 cm; Sockel H x B x T = 5 x 10,8 x 10,5 cm; Gewicht ges. 8 kg

2022 übereignete der Bildhauer und Maler Rainer Stoltz (*1951) ein Konvolut von 34 Zeichnungen und sechs Plastiken zum Thema Tod als Schenkung an die Medizinhistorische Sammlung am Universitätsklinikum der FSU. Der heute bei Aschaffenburg lebende Künstler schuf die Arbeiten zu Beginn der 1980er Jahre in Jena. Dargestellt sind Präparate menschlicher Körper in unterschiedlichen Zuständen, die vermutlich für die medizinische Ausbildung bestimmt waren. Die Büste „Kopf 1, lebensgroß“ (H-45#02) aus Gelbguss gehört zu einer Gruppe von Plastiken, die die nächste Stufe der künstlerischen Auseinandersetzung mit den anatomischen Studien darstellt.
 

Der Künstler präsentiert den Kopf wie eine Porträtbüste auf einer Granitplinthe. Über diese Art der Darstellung wird die Wertschätzung für einen bedeutenden Menschen ausgedrückt. Rainer Stoltz spielt mit dem Sujet. Er zeigt einen namenlosen Menschen, dessen Leben und Wirken völlig unbekannt sind. Im Tod hat er ihm ein Denkmal gesetzt und eindeutige Verweise wie die schlaffe Zunge, die sich im geöffneten Mund zeigt, und die geschlossenen Augen, nicht geschönt. Eine ähnliche Bildsprache findet sich bei den sterbenden Kriegern der Schlussstein-Kartuschen an den Rundbogenfenstern im Berliner Zeughaus (heute Deutsches Historisches Museum), die Andreas Schlüter 1696-1699 schuf. Er huldigte damit der preußischen Kriegskunst, die imstande war, die Feinde des Königreiches vernichtend zu schlagen. Rainer Stoltz, der seine Initialen auf der rechten Schulter der Porträtbüste eingeprägt hat, erhebt diesen Namenlosen zu einem Beispiel für das unausweichliche Schicksal, das jedem Menschen widerfährt. Mit „Kopf 1, lebensgroß“ und weiteren Büsten beginnt für den Künstler eine Jahrzehnte währende Beschäftigung mit der menschlichen Figur.

Das Thema Tod trat früh in sein Schaffen. Mit der Serie „Reste eines Helden“, die aus Einzelobjekten besteht, begann er bereits während seiner Schulzeit in Bürgel/Thüringen. An der Burg Giebichenstein in Halle entstanden Torsi aus verschiedenen Metalllegierungen und Keramik sowie lebensgroße Körper aus Gips. Im eigenen Atelier in dem kleinen Dorf Rodigast arbeitete Rainer Stoltz an Figuren, denen existenzielle Situationen eingeschrieben sind. Seine Studien am Anatomischen Institut der Friedrich-Schiller-Universität entstanden in dieser Zeit der intensivsten Auseinandersetzung mit dem menschlichen Sein.

Doris Weilandt