Der Sammelband entstand im Auftrag des Prager Bürgers Bohuslav von Čechtice, eines Anhängers der hussitischen Kirche. Der Band gelangte bald nach seiner Entstehung in Böhmen um 1500 in den Bestand der Wittenberger "Bibliotheca Electoralis", die größtenteils 1549 nach Jena kam. Er gehörte der Jenaer Bibliothek bis 1951 (Signatur: Ms. El. f. 50b). Auf Veranlassung der Staatsführung der DDR wurde er dann von dort entfernt und durch Wilhelm Pieck am 23. Oktober 1951 in Prag als Geschenk an das tschechische Volk überreicht. Heute wird er im Prager Nationalmuseum unter der Signatur IV B 24 verwahrt, ist aber wegen seiner Herkunft noch unter der Bezeichnung "Jenaer Kodex" bzw. "Jenaer Hussitenkodex" bekannt.
Nicht nur wegen der anspruchsvollen künstlerischen Ausstattung erlangte der Codex einen hohen Bekanntheitsgrad, sondern auch als Folge der prominenten Rezeptions- und Gebrauchsgeschichte (Luther und Cranach dürften die Handschrift gekannt haben, Goethe hat sie intensiv genutzt). Hinzu kommt, dass der Band (neben Cod. Ms. Theol. 182 der SUB Göttingen) zu den wenigen Zeugnissen des später im Zeichen der Gegenreformation systematisch zerstörten kulturellen Erbes der Hussitenbewegung zählt. Es sind vor allem die künstlerisch aufwendigen Illustrationen weiter Teile des Bandes in Form von paarweise angeordneten Bildantithesen, welche die Aufmerksamkeit auf sich gezogen haben. Hierbei handelt es sich um bildhaft umgesetzte Gegensatzpaare aus Darstellungen der christlichen Urgemeinschaft einerseits und der Geschichte der Kirchenhierarchie im Sinne antipäpstlicher Polemik andererseits. Mit dem Mittel der Bildagitation werden verschiedene Themenbereiche der hussitischen Kritik angesprochen: Kauf und Verkauf kirchlicher Ämter (Simonie), Reichtum der Kirche, moralischer Verfall der Geistlichen, Ablasshandel, Abendmahl sowie Stationen aus dem Leben und Werk des Kirchenreformators Jan Hus (um 1370–1415) und der hussitischen Bewegung. Vermutlich ging es bei der textlichen Abfassung und der künstlerischen Ausgestaltung des Hussitenkodex darum, eine Anthologie der schriftlichen und bebilderten Zeugnisse der Hussitenbewegung zusammenzustellen. Dies umso mehr, als der Band nicht vor oder unmittelbar während der Hussitenkriege (1419–1439) angefertigt wurde, sondern erst nach dem Tod des böhmischen Königs Georg von Podiebrad (1420–1471
tschechisch: Jirí z Podebrad), weshalb ihm der Rang einer dokumentarischen Quellensammlung des gemäßigten, also utraquistischen Flügels der Hussiten zukommt.