Monseigneur,

Herr Stichling hat mir gestern die Nachricht überbracht, mit der Eure Königliche Hoheit ihn beauftragt hatte. Auf seine Information über die für die Verteilung des Falkenordens am 10. November festgesetzten Kategorien hin habe ich mir erlaubt, ihm zu antworten, daß es meine Pflicht ist, die Rechte von Herrn Wurzbach an dieser Kandidatur aufrecht zu erhalten, weil er durch die Veröffentlichung seines < Schiller-Buches > de facto in die besagten Kategorien paßt, und dies sogar mehrfach, da er sowohl „ Verbreiter “ als auch „ Biograph “ von Schiller ist; außerdem ist dieser Biograph sozusagen der General-Berichterstatter der gesamten < Schiller-Litteratur > sic und sein Werk deren vollständige Enzyklopädie – herausgegeben auf Befehl und unter der Schirmherrschaft Seiner Majestät des Kaisers von Österreich. Mit all diesen Verdiensten, zu denen auch die Widmung dieses wunderschönen offiziellen Bandes zu Ehren Eurer Königlichen Hoheiten gehört – und dieser Band wurde mit dem Luxus herausgegeben, den ausschließlich die unglaublichen Mittel der kaiserlichen Druckerei erlauben Liszt will anscheinend seine Beziehungen mit der k. k. Hof- und Staatsdruckerei in Wien pflegen, die 1859 seine Graner Messe (1856, LW I2) veröffentlicht hat und dessen Direktor Alois Auer von Welsbach (1813–1869) er empfohlen hatte. –, ist die Nominierung von Herrn Wurzbach dreifach begründet. – Und es würde ihm nicht gerecht werden, würde man ihn bei der Bewertung seiner Leistung im Namen von Schiller mit Herrn Auerbach vergleichen. Monseigneur ist gewiß frei bei seiner Entscheidung und Ihre Auszeichnungen werden immer ein Gunstbeweis sein, aber sofern man daran gewöhnt ist, den Verdienst zu berücksichtigen, durch den dieser Anspruch erworben wird, könnte es so aussehen, als ob Sie ein Unrecht begehen, wenn Sie Herrn Wurzbach von diesem Termin ausschließen.

Gestatten Sie mir noch die Bemerkung, Monseigneur, daß es im Hinblick auf das von mir vermutete Bild Ihres Rufes im Ausland geschah, wenn ich ungeschickterweise sagte, daß mich diese Nominierung besonders freuen würde. Die allgemeine Regel lautet: Ich nehme mir die Freiheit, mich um Sie zu sorgen, ganz im Sinne Ihrer Interessen, und keiner meiner Vorschläge ist je auf meine persönliche Befriedigung gerichtet; ich will bei meiner Ehre jeden einzelnen eines Tages vor jedem Gericht rechtfertigen können.

Ich habe gerade den beigefügten Brief von Herrn Eggers erhalten; er sagt, daß seine Verpflichtungen für die Preußische Gazette ihn gegenwärtig daran hindern, nach Weimar zu kommen.

Die Zustimmung Eurer Königlichen Hoheiten zu der Musik des <„Festspiels“> von Halm ist sehr schmeichelhaft für mich. Ich hatte nur eine untergeordnete Aufgabe zu erfüllen –

Hochachtungsvoll, Monseigneur,

Euer Königlicher Hoheit

untertänigster Diener

F. Liszt

den 10. November 1859.

Entwurf des Trinkspruchs von Liszt auf der Schiller-Feier

<Es ist mir der ehrenvolle Auftrag zugekommen, an diesem Feste den grossen deutschen Welt-Nahmen zu nennen, welcher der Schiller Feier, zumal in Weymar, an gegenwärtigsten ist –

– Goethe –!

Seine Werke haben das Jahrhundert befruchtet; und Sie bieten jedem Gebildeten einen sicheren Maaßtab des eignen Verständnißes dar. Der umfangreichen Goethe-Litteratur die sie hervogerufen, dürfte an dieser Stelle überflüssig erscheinen weitere Comentaren und Loberhebungen anzuschließen. Nur unter einem Gesichtspunkt sei es mir erlaubt, des großes Mannes mit Ihnen zu gedenken und auf Goethe, dem Freund Schiller's, seinen glorreich-ebenbürtigen Mitarbeiter an dem großen Werk der Welt Literatur , das sie beide zur Welt Communion drängte und erhob, hinzudeuten. –

Dieser Gesichtspunkt ist zunächst für Weymar durch Rietschel’s Meister-Griffel ein ganz populärer geworden. Es ergeht daraus eine ernste, feierliche Mahnung des Eintracht des zu offenen, edelsinnigen und ausharrenden Zusammenwirkens , sowie des zu bereitwilligen Aufgebens alles kleinlichen Zwist’s und Haders; denn nur insoweit wir nicht die freie Entfaltung der Selbständigkeit mit den falschen Berechnungen der eitlen Selbstsucht verwechseln kann Großes und Dauerndes erzwekt werden! –

Goethe und Schiller waren unser – erheben wir uns im Geist und durch Thatenkraft zu den Ihrigen , damit sie sich stets bei uns wohl fühlen. – Entarten wir nicht unsrer Zeit. Sie ist gebieterisch groß und die Stunde des Wohlgefallens an einem beschränkten, exclusiven Epigonenthum vorüber. – Treffend ruft uns Goethe zu:

„Die Welt wird täglich breiter und größer,

So macht’s da auch vollkomn’er und besser!“ Verse aus Zahme Xenien I von Goethe, einer Sammlung von Denk- und Weisheitssprüchen, einem wichtigen und populär gewordenen Teil seines Alterswerks.

Heil Schiller’s Freund! Heil Goethe! –>