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Reißzeug
Reißzeug
Abb.: Digitalisierung MVT
CC BY-SA 4.0
Rechteinhaber: Ernst-Haeckel-Haus Jena

Reißzeug

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Beschreibung

Unter Reißzeug versteht man eine Sammlung von Zeichengeräten, die dazu verwendet werden, technische Zeichnungen, sogenannte Risse, zu erstellen. Der Name rührt daher, dass man die Linien zuerst einritzt, ehe man sie bei Bedarf mit Farbe ausfüllt.

1. Verwendungszweck
Reißzeug bezeichnet einen Satz verschiedener Zeichenutensilien, die zur Anfertigung technischer Zeichnungen wie Karten oder Vermessungspläne benötigt werden. So enthält das Reißzeug Zirkel und Nadeln, Lineale, Dreiecke und Winkelmesser. Zudem ist eine Reißfeder enthalten, mit welcher die Linien eingerissen werden können. Das Werkzeug ist für Feinarbeit ausgelegt und weist daher filigrane Mechanismen auf, die eine präzise Justierung erlauben. So befindet sich zum Beispiel an der Reißfeder oftmals eine kleine Schraube, die es möglich macht, die zweigeteilte Spitze zusammenzufügen, um den erzeugten Strich feiner zu machen.

2. Objektgeschichte
Zusammenstellungen von technischen Zeichengeräten gibt es bereits seit der Antike. Je nach Anspruch, Verwendungszweck und Fortschritt in Herstellungsverfahren und Ausbildung des Zeichners variieren Beschaffenheit der Geräte und Ausstattung. Reißzeug in seiner hier vorliegenden Form war bis ins 20. Jahrhundert in Gebrauch, wurde schließlich aber von digitalen Medien abgelöst und findet heute nur noch bei der Restauration bzw. beim Nachbau historischer Karten und Objekte Verwendung.

3. Objektbeschreibung und -datierung
Bei dem vorliegenden Satz handelt es sich um ein umfangreiches Zeichenset. Es enthält zwei Klappwinkel aus Messing, auf denen Skalierungen eingraviert sind. Sie ermöglichen es dem Zeichner, die genauen Abstände seiner Zeichenwerkzeuge und –zirkel einzustellen und abzulesen. Hinzu kommt ein Lineal, das durch ein Scharnier auf die doppelte Länge ausklappbar ist und ebenfalls diverse Gravuren zur genauen Maßnahme aufweist. Für die Arbeit mit Bogenmaß und Winkeln abweichend der 90° enthält der Satz zudem einen Winkelmesser aus Messing, dessen Korpus durchbrochen ist und somit ein präziseres Ablesen ermöglicht. Zudem liegt dem Instrumentensatz ein Winkelmesser aus Kunststoff bei, der dieselbe Größe hat, der aber durchsichtig ist und somit bestimmte Linienverläufe deutlich sichtbar macht. An Zeichenwerkzeug sind insgesamt drei Reißfedern enthalten, die sich mit einem Rädchen feinjustieren lassen. Eine der drei Reißfedern besitzt am anderen Ende zudem eine Nadel. Dazu kommt ein Perforierrad, ein Nadelzirkel, dessen Nadelaufsatz ausgetauscht werden kann, ein Grafitstifthalter, ein Grafitstiftaufsatz für den Zirkel, dazu noch ein Verlängerungsaufsatz für die austauschbaren Teile. Des Weiteren ist noch ein Stechzirkel mit Grafitstiftaufsatz beigefügt. Das Etui selbst ist innen mit starker grüner Pappe ausgeformt und bietet für jedes Instrument präzise Fächer. Die Außenhülle ist aus gestärktem, dunklem Leder.

Der Satz wurde vermutlich zwischen 1790 und 1800 hergestellt. Ausschlaggebend für diese Datierung sind unter anderem die Gravuren, die eindeutig den Hersteller identifizieren. So finden sich auf den Klappwinkeln die Angaben „Meurand Quai de l’horloge Paris“. Antoine-Joseph Meurand war zwischen 1770 und 1800 als Hersteller physikalischer und mathematischer Instrumente in Paris tätig . Der Quai de l’Horloge ist eine Straße im 1. Arrondissement von Paris, direkt an der Seine gelegen. Meurand stellte unter anderem Werkzeuge für die französische Marine und Militärkartographie her . Erhalten ist neben einigen Instrumenten von Meurand auch seine Visitenkarte, die einem beliebten Satz von Messwerkzeugen beilag. Zugleich sind auf einem der Winkelmesser bereits Dezimalangaben neben der Angabe von einem halben Fuß zu lesen. Das Dezimalsystem wurde allerdings erst 1793 vom Nationalkonvent eingeführt, was eine Datierung in die späten 1790er Jahre nahelegt.
Der Winkelmesser aus Kunststoff ist später hinzugefügt worden, was nicht nur das Material nahelegt, sondern auch die Tatsache, dass es in dem ansonsten sehr genau eingefassten Etui für dieses Utensil kein extra Fach gibt. Dennoch findet sich auch auf dem Kunststoffwinkelmesser die Aufschrift „Meurand Quai de l’Horloge“, allerdings in einer merklich anderen Schrift. Hilfslinien deuten darauf hin, dass dieser Schriftzug nachträglich und nicht vom ursprünglichen Hersteller auf dem Winkelmesser angebracht wurde.

Das Reißzeug befindet sich in gutem Zustand und ließe sich auch heute noch verwenden, wenn es nicht in der Regel an dem dafür erforderlichen Wissen, aber auch an der Notwendigkeit mangelte.